Marc Brants

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Marc Brants verfasst ‘Ich verändere’

Im Rahmen der Veröffentlichung seines Buches ‘Ich verändere’ sprachen wir mit Autor und ALS-Patient Marc Brants. 

Lebenskünstler

Marc, Du beschreibst Dich selbst als Lebenskünstler. Wie lebst Du ?

Es betrifft eine Beschreibung die ich mit größtem Vergnügen von einigen Leuten übergenommen habe, die mich so beschrieben. Ich lebe gern, mit voller Begeisterung und Hunger. Sehen, fühlen, riechen, hören und schmecken regen meinen Wunsch an, zu werden. Wir besitzen Sinnesorgane (Geräte, die unseren Weg anregen) sowie ein Gehirn, um alles Mögliche zu machen mit dem, was uns erreicht. Wunderbar interessant richtig. Wenn man weiß, dass jeder Mensch diese sinnliche Reize anders behandelt, bekommt man eine faszinierende Umgebung, eine unerschöpfliche Quelle der Begeisterung und Entwicklung. Das bedeutet mir das Leben. Und mein Körper, der abnimmt stellt ein Instrument dar, dass ich zum Überleben und kanalisieren brauche, um alles, was ich denke und fühle, herausfließen zu lassen.

Vom Blog bis zum Buch 

Das Schreiben liegt Dir klar im Blut. Wie kamst Du dazu ein Buch zu schreiben? Handelt es sich um eine logische Fortsetzung Deines Blogs? 

Einige Monate vor der ALS-Diagnose, als ich spürte, wie sich mein Körper verschlechterte, habe ich regelmäßig auf mein Leben zurückgeschaut. Ich besaß eine reichliche Vergangenheit, aber entdeckte zu wenig greifbare Dinge. Ich wunderte mich zu was mein Leben mit anderen geführt hatte. Also begann ich mit meinem Blog und machte es sofort zu einem umfangreicheren Projekt. Ich wollte ein Sparbuch erstellen, eine Inspirationsbox, die man erwerben konnte, etwas individuelles daraus holen, etwas persönliches einstecken und danach herumreichen. Ich suchte eine Art endloser Existenz, ein niemals löschender Transfer von Inspiration. Als ich meine gute Freundin Freya Piryns fragte das Projekt zu führen, antwortete sie : “Aber Du gibst sowieso kein Buch weiter, du schätzt das. Und mit deinem Blog hast du eigentlich ein Buch geschrieben.” Sie suchte nach einem Verlag und ich verfasste weiterhin mein Blog sowie einem Aufsatz hinsichtlich Veränderung. Verlag Freitag war sofort bereit sich für dem Buch einzusetzen. Et voilà.

nvdr: Der Blog von Marc kannst Du verfolgen durch http://marcbrants.blogspot.be/

Das Buch ‘Ich verändere’

Ohne allzu viel für den Leser preiszugeben, worum geht es in dem Buch? Wo hast du deine Inspiration her? 

Der Aufsatz ‘Ich verändere’ womit das Buch beginnt, wollte ich schreiben im Rahmen einer Unterhaltung mit Roel Verniers. Roel war Vater von zwei Kindern in der Schule, in dem ich Direktor war. Er kämpfte gegen Krebs und teilte mir seine Gedanken hinsichtlich Änderungsmanagement, mein Steckenpferd, mit. Mit der Erfahrung seiner Krankheit erhielt dies eine menschlichere Dimension. Zu diesem Thema wollte er ein Buch schreiben, aber leider hat der Krebs anders entschieden. Seine Ehefrau Clara hat zusammen mit ihren Kindern, Anais und Wolf, dem Projekt von Roel schön abgerundet mit einem Buch samt begleitenden Theateraufführung : “Bestimmte Sachen (fallen ins Wasser)” ebenfalls von Freitag ausgegeben. In meinem Aufsatz gebe ich meine eigene menschliche Dimension am Verändern. “Ich verändere” bespricht wie ich selbst verändere in meiner Welt, die ich verändern will, ein Kampf bis zum Tod. Der Titel deutet die doppelte Interpretation an. Nach dem Aufsatz folgen “tranches de vie” (Lebensabschnitte), meinem Blog entnommen. 

Hast Du beim Schreiben je mit dem berüchtigten ‘writer’s block’ gekämpft?

Das kannst du im Buch nachlesen. Klischees basieren auf wiederholten Erfahrungen.

Ein Buch zu schreiben als ALS-Patient ist zweifellos eine zusätzliche Aufgabe. Musstest du dabei Hilfsmittel verwenden? Hat es emotional viel in dir ausgelöst?

Im Buch erlebst du die Entwicklung im Laufe der Zeit eines ALS-Patienten. Ich fing damit an mit halsbrecherischer Geschwindigkeit zu schreiben, meine Finger tippten wie verrückt über meine Tastatur. Kraftverlust sorgte dafür, dass ich effizienter mit der geschriebenen Sprache umging. Der Aufsatz sowie der letzte Teil des Buches schrieb ich zusammen mit Lucy. Da ich mit meiner Geschichte anfing ehe ich die ALS-Diagnose erhielt, kannst du die Achterbahn von Emotionen gut folgen. Die Wut, die Angst, das Lachen sowie die Tränen erweisen sich als lebensecht.

Dein Buch ist von der Politikerin Freya Piryns eingeleitet. Wie hast du diese kennengelernt? 

Freke gehört zu meinen ‘liebsten Menschen’. Ich habe sie kennengelernt im Jahre 1999. Es standen Wahlen bevor und Freya organisierte eine Wahldebatte auf der normalen Schule. Sie war der Meinung, ihre Kommilitonen seien zu wenig beschäftigt mit den Parteiprogrammen. Im Namen von VU-ID nahm ich an der Debatte teil. Politisch habe ich sie nicht überzeugt, ich war zu sehr von ihrer Reinheit, ihrer Fahrt, ihrem schnellen denken und ihrer guten Disposition gepackt. Im Laufe der Vorstellung des Buches erklärte Freya wie wir uns kennengelernt haben. 

Erlauben sie mir Freya zu zitieren:

“Ich nehme euch mit der Zeitmaschine von Professor Barabas zurück in die Zeit bis nach 1999. In diesem Jahr begegneten Marc und ich uns im Lehrerzimmer von De Pijl (Der Pfeil) ein paar Meter von hier entfernt. (Wir hatten uns schon mal gesehen. Aber zu diesem Thema verweise ich sie zur Einführung des Buches. Ich möchte nämlich versuchen nicht alles zweimal zu erzählen.) Um Ihnen eine Idee zu geben wie weit entfernt 1999 ist: damals war die gängige Zahlungsart mit belgischen Franken, es gab erst seit kurzem eine lila Grüne Regierung, die Leute in der Straßenbahn sahen sich immer noch an statt ihr Handy zu schielen. Niemand hatte jemals von Facebook oder Twitter gehört. Auf dem Lisp in Lier spielte noch ein Meisterteam und am Spielplatz von De Pijl lief ein kleiner Junge herum, mit dem Marc manchmal einen Ball trat und dem er eine große Zukunft vorhersagte : Radja Nainggolan, der aktuelle Kaiser von Rom. Ich war im letzten Jahr der normalen Schule in Lier und machte ein Praktikum bei De Pijl. Marc schleppte mich dank seiner unerschöpflichen Energie ab, und dank seiner ansteckenden Begeisterung die von den Seiten seines Buches spritzt. Politisch befanden wir uns nicht auf der gleichen Wellenlänge, aber das war gar kein Problem - ich habe speziellere Beziehungen mit Leuten anderer politischer Zugehörigkeit, wie Sie wissen. Als ich später bei De Pijl einen Job bekam, vertiefte die Freundschaft mit Marc sich, und ich traf Marc manchmal auch außerhalb der Schulstunden, sogar mit einem gelb-schwarzen Schal um im Stadion von Lierse, wo damals noch kein chinesischer Spieler gemeldet war. Ich werde hier nicht in Gesang ausbrechen, das möchte ich Ihnen wohl sparen, aber wir sangen zusammen mit dem Clublied : “Gelb und Schwarz sind unsere Farben/Lierse so lautet unser Name/niemand wird unsere Flagge schmieren: weil unser Ruhm zu groß ist”. Nur um zu sagen, meine Damen und Herren: es durfte schon mal gelacht werden.”

nvdr: ‘Ich verändere’ ist eine Veröffentlichung vom Verlag Freitag und erhältlich als Taschenbuch oder als E-Book, u.a. durch Standaard Boekhandel und Bol.com.

Mehr Info auf : 

- als.be/nl/bibliotheek-ALS-Liga
- ikverandermarcbrants.wordpress.com

 

Übersetzung: Eric Kisbulck

Quelle: ALS Liga-Magazin 169 – Juli, August, September 2015

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