Jan Du Bin

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“Positiv denken!”

Im Lauf des Kontaktwochenendes der ALS Liga in Middelpunt im September machten wir auch ein Interview mit Jan Du Bin aus Mechelen sowie Ehefrau Christiane. Wir lassen sie jetzt zu Wort kommen. 

Wann und wie wurde ALS bei dir diagnostiziert? 
Vor ungefähr zwei Jahren. Es begann mit einer Lähmung der Ärme, Hände, die nicht richtig funktionieren, ungeschickt sein. Erst war ich beim Neurologen in Bonheiden, bis zu zweimal, und beim dritten Mal in Leuven wo ich sofort ALS diagnostiziert wurde. 

Begann das mit Kribbeln in den Händen? 
Kribbeln nicht echt, ich konnte den Mantel nicht mehr anziehen. Ich war ein ziemlich praktischer Kerl und mit den Händen gelang mir immer weniger, und ich ließ mir auch öfter Dinge aus der Hand fallen. Es gelang mir auf Dauer auch nicht mehr mich anzuziehen. Weitere Beschwerden gab es damals noch nicht. 

Als man dir mitteilte daß du an ALS leidest, wie hast du das vekraftet, kanntest du die Krankheit bereits? 
Ja, es war trotzdem wie ein kleiner Schlag, im Sinne daß es dir in diesem Moment Angst macht. Wir wuBten damals nicht wirklich was mit ALS gemeint wurde, aber unser Hausarzt behauptete daß es entweder von Arthrose war, oder daß es sich um eine Muskelkrankheit handeln mußte. Er erzählte, daß bei einer Muskelkrankheit diese im Rȕckenmark entsteht und daß sie tödlich wäre. Ich war mir dessen bewußt, was die Diagnose beinhaltete. Was nicht wegnimmt, daß es dir immer noch Angst macht. Aber ich relativiere problemlos, wenn ja dann soll es so sein. 

ALS ist ein ständiges anpassen, auch für den Partner, das ist manchmal schwer, den einen Tag schwerer als der andere. Wenn du von einer Leiter stürzst und du brichst dir den Rücken, dann bleibt das für immer so, aber ALS geht immer zurück. Vor vier Monaten konnte ich noch aufstehen und einen Schritt machen. Nicht mehr wirklich schreiten, aber z.B. gelang es mir zur Toilette zu gehen.  Hinsichtlich der von uns erhaltenen Informationen im Bezug auf ALS darf ich kurz sein: wir bekamen gar keine! 
Du bekommst nur die Diagnose, damals war kurz die Rede von der Existenz einer ALS Liga, aber an dem Moment hörst du nicht darauf. Dann bist du ganz allein.. Du befindest dich in der Wüste und sollst alles selber herausfinden.

Was erfährst du als das am lästigsten bei der Krankheit ALS? 
Das du wirklich selbst nichts mehr tun kannst, daß du für alles, auch die einfachste Aktionen, jemanden brauchst. Manchmal führt das zur Hilflosigkeit. z.B. der elektrische Rollstuhl stoppt nach einer bestimmten Zeit wenn ich ihn nicht bediene. Dann muß jemand anders ihn wieder einschalten. Wenn ich also vergesse ihn regelmäßig zu aktivieren, stoppt er und jawohl, dann sitze ich hier. 
Was mir auch Sorgen bereitet ist daß ich nicht telefonieren kann, während meine Frau Einkäufe macht und abwesend ist, mache ich mir schnell Sorgen wenn es zu lange dauert, und weil ich das Telephon nicht beantworten oder betreiben kann, gelingt es ihr auch nicht ein Bericht zu hinterlassen falls sie sich verspätet, dann mache ich mir oft schnell Sorgen. Wir hoffen bald ein System zu erhalten das das telefonieren ermöglicht mit Kinn- oder Sprachsteuerung, weil es für mich jetzt ein ärgerlicher Fehler ist.  

Was macht dir Mut? 
Eigentlich habe ich Glück gehabt, ich erfahre dies bei einem Besuch in Leuven oder wie jetzt in Middelpunt, all die jungen Leute die an ALS leiden. Ich bin jetzt 66 und habe Glück gehabt ein normales und gesundes Leben zu führen. Ich relativiere ziemlich einfach und wir lachen oft, aber der eine Tage gleicht natürlich nicht dem anderen. 

Hat sich nachdem du ALS bekamst viel geändert in  deinem Leben, deine Arbeit und deine Hobbies? 
Alles. Alles hat sich geändert, alles hört auf. Damals las ich bis zu dreimal die Zeitung. Und jetzt kann ich wohl improvisieren dank meinem Stuhl und dem erhöhten Küchentisch, die Zeitung zu lesen und die Seiten umzublättern mit der Zunge. Im Wochenende verfügte ich über zwei Zeitungen die ich in aller Ruhe im Sessel las, das gehört jetzt der Vergangenheit an denn mich ruhig im Sessel setzen und die Zeitung lesen gelingt mir nicht mehr.
Ich bin jetzt seit 6 Jahren im Ruhestand versetzt, in diesem Bereich hat das bekommen der Krankheit die Arbeit nicht wirklich beeinflußt. Ich habe auch nicht den Eindruck daß das bekommen der Krankheit den GenuB der Rente beeinträchtigt hat. Was ich wohl vermisse ist mein Fahrrad.  Wir sind sehr viel Rad gefahren, wenn wir verreisten war dies bis nach Diksmuide oder Poperinge, und wir nahmen ausnahmslos das Fahrrad mit und machten Ausflüge durch Westflandern. Das Erblicken von pensionierten Radfahrern ja das tut weh. Es ist mir völlig egal daß ich nicht mehr ein Auto fahren kann. Am Anfang hatte ich ein Dreirad, und davor bin ich ein Damenrad gefahren, aber damit bin ich in der Stadt gestürzt, und danach habe ich mich zum Dreirad entschieden.  

Ist dir der Kontakt zu Mitleidenden wertvoll? 
Die Kinder haben uns ein wenig “angestachelt” um hierher zu kommen. Wir finden daß es uns gefällt.
Ich bin nicht sosehr damit beschäftigt, im Gegensatz zu meiner Frau, die gerne spricht, sie macht dies an meiner Stelle, in Kontakt bleiben. Wohl ein kurzes Gespräch, aber Ich selbst werde darauf nicht näher eingehen. 
Ich bin angenehm überrascht daß wir hier Patienten begegnen die bereits sehr lang krank sind, denn meist erfährt man über andere Leute, die irgendwann mal jemand gekannt haben mit ALS, aber immer in der Vergangenheit. Es erweist sich als hoffnungsvoll jemanden wie Danny zu begegnen der schon ungefähr 20 Jahre an der Krankheit leidet.  

Wȕrdest du berücksichtigen ein kurzer Urlaub in Middelpunt zu buchen? 
Ganz bestimmt, wir werden auf jeden Fall wieder hierher kommen. Wir sind hier zufrieden, es soll doch etwas geben für Menschen wie wir. In Mechelen gibt es nun ein Behindertentaxi “FlussLand”, und für 100 Euro sind wir hier, das ist also sehr machbar. Freiwillige kümmern sich darum. 
Wir lieben es nochmal wegzufahren und werden dies jetzt wo es noch möglich ist, selbstverständlich tun. 

Wie siehst du selbst die Zukunft? 
Positiv! Was kommt, was kommt. Wir haben elf Enkelkinder und die besuchen uns alle. Natürlich musst du nicht jammern, denn dann kommt auf Dauer keiner mehr. 

Wie fȕllst du deine Zeit und bekämpfst du die Langeweile? 
Fernsehen. Der Tag dauert lange, damals habe ich mit den Leuten gelacht, die den ganzen Tag fernsehen. Aber besonders bei schlechterem Wetter fällt es mir besonders schwer draußen zu kommen, und dann ist fernsehen eine Form des Zeitvertreibs.  

Wie wichtig ist dir die Familie? 
Familie spielt eine sehr wichtige Rolle. Unsere Kinder kommen oft, um ihren Vater um Rat zu fragen. Unsere beiden Jungs sind Lehrer und  können für die Betreuungshilfe Freistellung bekommen. Auch die Enkelkinder sind sehr wichtig für uns. 

Möchtest du noch etwas hinzufügen? 
Ich möchte noch sagen daß das aktuelle System der Regierung und der Krankenkassen zur Anfrage und das bekommen eines Rollstuhles nicht wirklich auf ALS Patienten zugeschnitten ist. Besonders die lange Fragebögen, der Papierberg sowie die lange Wartezeiten während man sich dessen bewußt ist, daß man an ALS leidet, sind oft störend. Es ist nicht so daß wir auf einmal besser werden und wieder laufen können. Ich habe eine Anfrage für ein elektrischer Rollstuhl eingeleitet die verweigert wurde, ich war nicht schlimm genug. 
Ich kann verstehen daß man bestimmte Sachen tut zur Kontrolle und um Missbrauch zu vermeiden aber nachdem du ALS diagnostiziert wurdest, sollte man wissen was dies bedeutet und  dies berücksichtigen. Nach dem Besuch bei der Liga ist es mir gelungen in einem Tag ein elektrischer Rollstuhl zu erhalten, es is also möglich schnell geholfen zu werden. Warum kann die Regierung dies nicht standardmäßig bereitstellen  wie einen sich öffnenden Regenschirm der alles nötige zur Verfügung stellt? 

Hast du einen eigenen Slogan? 
Sie sehen mich hier sitzen. Es besteht immer schlimmeres. Also “Positiv denken!” 
Voriges Jahr um diese Zeit, unsere Nichte, sie würde 6 Jahre alt werden, im November erkrankte sie, sie hatte ein Hirntumor am schlechtstmöglichen Ort.  Innerhalb eines Monats ist sie gestorben. Das sind schlimmere Sachen als das was ich habe, ich führte ein ganzes Leben von 66 Jahren.
“Und jetzt stecke ich fest”, sagt Jan am Ende des Interviews, “und nun muss meine Ehefrau den Rollstuhl ein- und ausschalten damit ich wieder weiter kann”.  

Übersetzung: Eric Kisbulck
Quelle: Newsletter 162 - Oktober, November, Dezember 

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