Vom Wanderstock zum elektrischen Rollstuhl: Kein einfacher Weg.

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„NEIN DAS BRAUCHE ICH NICHT, DAS MÖCHTE ICH NICHT, ICH DENKE NICHT DRAN, ICH FÜHL‘ MICH ZU JUNG!“

Es begann alles vor einigen Jahren. Ich kam plötzlich zu Fall, als ich mit dem Hund spazieren ging mit dem Ergebnis, mir einige gequetschte Rippen zugezogen zu haben. Es passierte ein paar Wochen später dann noch ein Mal. Es ging vom Regen in die Traufe und ich blieb fallen. Dann bekam ich den Rat, um mir einen Wanderstock zu nehmen.

„NEIN DAS MUSS ICH NICHT HABEN, ICH WILL ES NICHT, ICH DENKE NICHT DARAN, ICH BIN NOCH VIEL ZU JUNG!“

Ich fühlte mich machtlos, ich wollte dies Alles ganz und gar nicht! Einen Wanderstock, das ist doch für „alte Menschen“? Letztendlich habe ich es ausprobiert und war angenehm überrascht. Die hinzugekommene Unterstützung war herrlich. Und so kam der Stock in mein Leben hinzu.

Es ging eine Zeit lang gut, ich fiel weniger oft, aber dies blieb nicht lange so. Eines Tages war ich beim Wandern mit meinem Ehemann und meinem Sohn, da rutschte ich einfach zwischen ihnen aus und fiel hart auf den Boden. Es war so schlimm, dass der Rettungsdienst angerufen werden musste. Als mich die Rettungsassistenten festhielten, rutschte ich erneut zwischen ihren Händen aus und mir wurde dann klar, dass sich die Situation verschlimmert hatte. Mein behandelnder Arzt im Krankenhaus stellte dies ebenfalls fest und gab mir den Rat Stützstrümpfe zu tragen und einen Rollator zu verwenden.

„NEIN DAS MUSS ICH NICHT HABEN, ICH WILL ES NICHT, ICH DENKE NICHT DARAN, ICH BIN NOCH VIEL ZU JUNG!“

Einen Rollator?! Einen Wanderstock konnte ich noch vertragen, aber einen Rollator? Dann bin ich doch ganz und gar „alt“! Nein absolut keinen Rollator für mich. Ich hatte dann letztendlich doch keine Wahl. Im Krankenhaus bekam ich Stützstrümpfe und der Physiotherapeut gab mir noch einen Rollator und sagte, „Wir gehen spazieren! Kein Gemurre, einfach mitgehen.“ Und was passierte ehrlich? Schon wieder war es stabiler und angenehmer, um spazieren zu gehen. Ich bestellte daraufhin einfach einen und so verschwand der Stock und der Rollator kam in mein Leben…

Es ging wieder eine kurze Zeit lang gut und ich konnte wieder mit zum Einkaufengehen. Wenn ich wenigstens nicht so übermüdet wäre, denn die Müdigkeit machte mir sehr zu schaffen. Am 17 Oktober wurde mir schließlich die Diagnose der ALS bekannt gemacht und angeraten, schon im Voraus auf Suche nach einem Rollstuhl zu gehen.

„NEIN DAS MUSS ICH NICHT HABEN, ICH WILL ES NICHT, ICH DENKE NICHT DARAN, ICH BIN NOCH VIEL ZU JUNG!“

Einen Rollstuhl.., nein. Bitteschön. Jetzt noch nicht.

Meine Familie ging mit mir mit zur ALS Liga, um Information einzuholen. Ich war kaputt, es war viel zu weit und anstrengend für mich. Sie haben mich dort in einen Rollstuhl gesetzt, um ihn auszuprobieren. Und wieder einmal musste ich zugeben, dass dies für mich viel einfacher und weniger ermüdend war. Und so verschwand der Rollator und der Rollstuhl kam in mein Leben…

Doch wieder einmal musste ich eine bittere Pille schlucken, während meines Besuchs bei der ALS Liga, als mir angeraten wurde, um im Voraus einen elektrischen Rollstuhl anzukaufen. Es ist unmöglich, um zu wissen, wann man den wirklich nötig hat, angesehen dessen, dass das Fortschreiten von ALS bei jedem unterschiedlich ist. Und wieder einmal war meine Antwort herzu:

„NEIN DAS MUSS ICH NICHT HABEN, ICH WILL ES NICHT, ICH DENKE NICHT DARAN, ICH BIN NOCH VIEL ZU JUNG!“

Gerade eben musste ich mich noch an die Idee von einem normalen Rollstuhl gewöhnen, und einen Augenblick später den mentalen Schritt hinüber zu einem elektrischen Rollstuhl machen? Das war für mich zu viel.

Die ALS Liga überzeugte mich am Ende doch noch, um bereits Information über die Herausgabe eines elektrischen Rollstuhls einfach einzubeziehen. Ich gab es zu und wählte einen Rollstuhl für die Zukunft und NICHT FÜR JETZT. Für die weite, ferne Zukunft. Anschließend wurde mir erzählt, dass der Prozess für die Anfrage und Lieferung Monate in Anspruch nehmen könnte. Man stelle sich vor, der Fortschritt seiner eigenen ALS geht schneller als erwartet, dann sitzt man fest. Letztendlich sind wir zum Herausgeber gefahren und dort durfte ich einige Stühle ausprobieren. Der Rollstuhl den ich auf dem Papier ausgewählt hatte, schien schließlich auch perfekt für mich zu sein. Das Gefühl als ich darin saß war unbeschreiblich!

JA DIESEN MUSS ICH HABEN! DIESEN MÖCHTE ICH, LIEBER BEREITS GESTERN ALS HEUTE, WAS FÜR EINE FREIHEIT!“

Was für ein mentales Umschalten! Ich hatte wieder Beine und ich konnte wieder laufen, ohne meinen Man zu überbeanspruchen! Ich bin jetzt voller Ungeduld und halte Ausschau nach MEINEM STUHL, denn der Bürokratiekram nimmt viel Zeit in Anspruch. Ich weiß jetzt, dass ich nie mehr „Nein das möchte ich nicht.“ sagen werde.

(interview: Daphne Talboom)

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