Physiotherapie/Kinesiotherapie für pALS

Der Anfang

Oft sind Patienten, bereits bevor ALS diagnostiziert wird, schon in Behandlung bei einem Physiotherapeuten wegen Nacken-, Schulter- oder tiefer Rückenschmerzen, Hüft- und Beinmuskelbeschwerden oder Kraftverlust in den Armen.

Zunächst reagiert der Körper ziemlich gut auf die Massage, die Bewegungstherapie und die physiotherapeutische Anwendung, wie Wärme und diadynamische Ströme. Nach einigen Behandlungen zeigt sich die Wirkung weniger als gehofft und wird der Patient zum Neurologen überwiesen.

Die erste Phase

Gibt es dann endlich eine Diagnose, dann soll man auf physiotherapeutischer Ebene ‚wieder von vorne‘ anfangen. Der Physiotherapeut erklärt dem pALS, dass ein Neuanfang kommt.

Wesentlich ist die Beratung über die erwartete Entwicklung mit dem Patienten. Außerdem ist auch die gegenseitige Beratung mit einem Team von festen Behandlern wichtig. Erfahrung sammeln, Datenaustausch, eindeutige Vorgehensweise mit, für den Patienten und seine Umgebung und erkennbarer Sprache sind einige Vorteile von einem derartigen Team.

Die Rolle des Physiotherapeuten ändert sich drastisch, man versucht nämlich die existierende Muskelkraft aufrechtzuerhalten, so dass der Patient so lange wie möglich ambulant bleibt.

Die Behandlungsfrequenz hängt zusammen mit der Belastbarkeit der Patienten und ist oft zwei bis drei Mal pro Woche. Da es notwendig ist die Anstrengung zu dosieren und also (ziemlich viel) Ruhe einzubauen, benötigt man eine Stunde pro Behandlung.

Der Ort der Behandlung ist abhängig von den Möglichkeiten der Patienten. Wenn bei einer Behandlung in einem Rehabilitationszentrum die Belastung größer ist als der Heilgewinn, dann muss man sofort mit einer Behandlung zu Hause anfangen.

Die Therapie besteht während dieser Phase aus der Aufrechterhaltung der existierenden Muskelkraft durch bestimmte Bewegungen. Die Ruheperioden sind oft Momente wobei die Grenzen hochkommen können. Es ist wichtig dies mit dem Physiotherapeuten zu besprechen. Er soll darauf eingehen, mit Respekt für die gegenseitigen Abmachungen des ALS-Teams.

Rückgang der Muskelkraft

Erste Hilfsmittel und Unterstützung

Mit der Zeit geht die Muskelkraft unvermeidlich zurück. Der Gang, die Sitzhaltung und die Erledigung der Aktivitäten von den oberen Gliedmaßen werden es deutlich machen.

Bei Verschlechterung des Ganges (schneller müde als früher, klebrige Füße, weniger schnell laufen, usw.) bespricht und empfiehlt der Physiotherapeut rechtzeitig die Gehhilfen wie Spazierstock, Armkrücken und Rollator.

Bei Verschlechterung der Sitzhaltung erhält der Patient Auskünfte über die Einstellung des Stuhles: Neigung der Sitzfläche und Rückenlehne, Höhe, usw. Auf diesem Moment kann die Atmung besprochen werden, nämlich obLogopädie schon erwünscht ist.

Bei Kraftverlust in den oberen Gliedmaßen erhält der Patient Auskünfte über die Aufstellung von Gebrauchsgegenständen um zum Beispiel Gegenstände zu schieben statt aufzuheben oder zu bewegen. Während dieser Phase kommt Ergotherapie zur Sprache.

Auf die Benutzung von Hilfsmitteln kommen wir zurück bei der Rollstuhlphase.

Aktive Übungen

Die Forschung hat bisher noch keinen Beweis erbracht, dass aktive Übungen den Verlauf der Krankheit ändern. Wenn noch eine Funktionsgruppe verloren geht, zum Beispiel wenn der Fuß und der Knöchel schlaff werden, so dass man verhindert wird normal zu spazieren und es auch eine größere Anstrengung erfordert, ist ein strenges Übungsprogramm sogar weniger wirksam…

Der Patient entscheidet selbst ob er ein strenges Übungsprogramm folgen will. Wenn es ihm gefällt, nicht zu anstrengend ist und er sich dadurch besser fühlt, ist es gut solange es auf sichere Weise geschieht und keine Gelenkschmerzen verursacht. Selbst wenn Sie gern üben, verteilen Sie am besten Ihre Energie zwischen die Übungen und andere Dingen die Sie mögen.

Wenn die Übungen Ihnen nicht gefallen, braucht man sie nicht zu machen. Das heißt: Die Entscheidung liegt beim Patienten, nicht beim Physiotherapeuten.

Die Rollstuhlphase

Trotz der Hilfsmittel und der Pflege wird es auf einem Moment nicht mehr gelingen selbständig ambulant zu bleiben oder sich selbst zu pflegen. Die Rollstuhlphase fängt an.

Während dieser Übergangsphase versucht man die übrige Muskelkraft anzuwenden für die täglichen Aktivitäten, die anders mit dem Partner oder Helfern gemacht werden müssen, wie die Transfers vom Stuhl zur Toilette und vom Stuhl ins Bett. Das bedeutet, dass man sparsam umgeht mit der Kraft und dass der Tag eingeteilt wird mit einer Verteilung von Momenten, wobei man Kraft braucht. Partner und Familie werden bereits vorher instruiert über das Heben und Bewegen der Patienten. Das Ziel ist zweifach: Vorbeugung von Rückenschmerzen und effektiv Hilfe leisten.

Gelenkschmerzen und passive Übungen

Passive Übungen sind anders, weil sie benutzt werden wenn es schon Lähmung gibt, mit Härte und Steifheit, nicht in den Gelenken, aber in den Muskeln selbst. Ein Programm um die Gelenke jeden Tag durch die ganze Reichweite zu bewegen und die Muskeln zu strecken, kann sehr hilfreich sein um den Komfort der Patienten zu erhöhen und die Bewegungen in den Gelenken möglich zu halten. Das ist wichtig um zu sitzen, für die Hygiene und einfach um keine Gelenkschmerzen zu haben.

Jetzt besprechen wir die Gelenkschmerzen mehr im Detail. Die drei meist angegriffenen Gelenken sind die Schultern, der Nacken und der Unterrücken, in dieser Reihenfolge. Tatsache ist, dass unsere Gelenke sich verlassen auf die Unterstützung unserer Muskeln um in der richtigen Position zu bleiben.

Die Schulter ist das interessanteste Beispiel davon, weil die Schultermuskeln den Armkopf in der Schulterhöhle halten. Wenn die Muskeln schwächer werden, kann das Gelenk zusammenbrechen und gibt es eine Höhle am Spitze der Schulter (Acromion), oder Sie verzerren das Gelenk. Dann entsteht Narbengewebe, die Muskeln werden hart und das Gelenk wird steif.

Jeder Physiotherapeut hat die nötige Erfahrung um dagegen etwas zu tun durch Gelenkmobilisation. Dabei behandelt man das zarte Gewebe um es zu dehnen und das Narbengewebe abzubrechen. Man arbeitet auch mit Elektrotherapie. Manchmal wird man an einen Arzt überwiesen. Der Arzt behandelt mit einem breiten Spektrum an Möglichkeiten von Entzündungshemmern bis Kortison-Injektionen. Meistens wird nicht operiert.

Diese Behandlung geltet auch für Nackenschmerzen: Immobilisation, Dehngymnastik und Elektrotherapie vom Nacken.

Mit Nackenkragen sollen Sie vorsichtig sein, vor allem wenn er zu hoch ist, weil er das Schlucken erschwert.

Es gibt viele Möglichkeiten um Gelenkschmerzen zu vermeiden. Der Physiotherapeut wird den pALS vorsichtig bewegen und sorgsam sein bei den Aktivitäten.

Das Gleiche gilt für die anderen Helfer. Wenn jemand ein bisschen Hilfe benötigt um aufzustehen, ins Bett zu drehen oder die Position zu ändern, muss man sehr vorsichtig sein und man darf nie an die Armen ziehen.

Es wäre gut den Rücken und Nacken so gerade wie möglich zu halten, wenn sie sich selbst drehen. Auch könnten Sie darauf achten, dass Sie nicht gedreht oder gereckt sind wenn Sie im Bett liegen oder in einem Stuhl sitzen wollen. Außerdem dürfen Sie Ihre Gelenke nicht in eine Bewegung zwingen, die sie nicht machen wollen wenn sie sich anziehen. Schmerz ist ein gutes Signal und man soll darauf Rücksicht nehmen. Die Beschwerden bei Muskel- und Skelettproblemen ergeben sich aus der Bewegungsweise. Oft verursacht die Härte der Muskeln Beschwerden. Es gibt Weisen um diese mit Physiotherapie zu beseitigen, durch Bewegung und Dehngymnastik, aber es gibt auch eine Anzahl von Medikamenten die helfen können. Die Medikamente dürfen nur verordnet werden nach Rücksprache zwischen Physiotherapeut und Arzt.

Es kann sehr unbequem werden wenn die Gelenken zu lange in einer bestimmten Position bleiben. Auch Druck auf der Haut kann vorkommen und kann das Gefühl geben das Sie blockiert sind.

Weitere Auskünfte über Hilfsmittel

Die meisten Physiotherapeuten werden ziemlich viel Zeit investieren in die Suche nach geeigneten Hilfsmitteln. Meistens geschieht dies in Beratung mit dem Ergotherapeuten, Zusammenarbeit ist also notwendig. Es ist wichtig, dass die Hilfsmittel schnell zur Verfügung sind. Wenn Sie Gehprobleme haben und Hilfsmittel brauchen um das Gleichgewicht zu halten, können Sie am besten die Möglichkeit haben die geeigneten Hilfsmittel sofort zu bekommen. Das bedeutet, dass der Physiotherapeut für bestimmte Dingen einen Plan im Voraus macht.

Die ersten Hilfsmittel sorgen meistens dafür, dass man noch gehen kann. Es kann gehen von einer einfachen Knöchelschiene, Krücken oder einem Gehgestell bis zu sehr komplizierten Rollstühlen.

Der Physio- und Ergotherapeut sollen sich die Zeit nehmen mit dem ALS-Patienten und seinen Pflegern zu überlegen was ihre Bedürfnisse sind und was ihr Lebensstil ist, um so nach der geeignetsten Lösung zu suchen.

Bei der Wahl eines Rollstuhles ist es wichtig, dass man die richtige Sitzhaltung einstellen kann, so dass die Länge des Stuhles an Ihre Beinlänge angepasst ist, dass man die Rückenlehne in die richtige Position setzen kann und dass das Rückgrat gut unterstützt wird und schließlich dass man in einer guten Position sitzt um schlucken und kommunizieren zu können.

Druckpolster sind wichtig, denn man braucht Entspannung für die Haut wenn man für längere Zeit sitzt.

Ein gutes und mobiles Bett mit verstellbarer Höhe ist wichtig für die Pflege. Es ist wünschenswert ein Bett zu wählen mit einem beweglichen Rücken, wobei man durch einen Druck auf den Knopf geholfen wird um sich aufzurichten. Dies macht einen ziemlich großen Unterschied. Warum Energie verschwenden an etwas was man so einfach lösen kann? Warum andere Menschen Ihnen helfen lassen wenn Sie es selbst können?

Andere Dinge wie Gleittücher und Bettstöcke sollen gezeigt und ausprobiert werden.

Bei Sesseln soll man auf die Höhe achten, denn es ist schwierig aufzustehen aus einem tiefen Sessel wenn man Probleme hat mit der Muskelschwäche oder mit dem Gleichgewicht.

Sie sollen gut auf die Rückenlehne eines Stuhles achten, denn Sie können alles Nötige machen um Ihre Gelenke zu schützen um keinen schmerzenden Rücken zu haben wenn man einige Stunden auf einem Stuhl sitzt um fernzusehen oder zu ruhen.

Es gibt viele Hebezeugen. Hebezeugen sind notwendig wenn man das eigene Gewicht nicht mehr tragen kann, denn dies ist ziemlich unbequem. Für die Pfleger ist es schwierig die Patienten häufig aufzuheben und auch für die Patienten selbst ist es nicht komfortabel. Es gibt ein erhöhtes Risiko für Gelenkschäden, Schulterverletzungen und Rückenverrenkung.

Sie bekommen das richtige Hebezeug womit Sie sich komfortabel und sicher fühlen. Die Apparate funktionieren gut, aber bei der Wahl braucht man auch die Hilfe vom Ergo- und Physiotherapeuten. Der Gebrauch soll gezeigt und gelehrt werden.

Die Bettphase

Während dieser Phase wird mehr und mehr Bettruhe genommen. Unterteile der Therapie sind das Üben vom selbständig ins und aus Bett gehen und das Lehren und Ausführen einer wechselnden Lieghaltung zur Verhinderung von Schorfbildung infolge von Bettlägerigkeit. Möglicherweise wird man dafür das Bett oder die Umgebung anpassen müssen. Auch soll das Heben des Partners geübt und kontrolliert werden.

Die Atmung

Bei Patienten wobei auf die Dauer die Atmungsmuskulatur getroffen wird, soll man Sauerstoffversorgung  für die Nacht erwägen. Für den Patient ist es eine schwierige Wahl. Einerseits gibt es die Abhängigkeit von der Sauerstoffflasche und das Gefühl, dass das Endstadium sich nähert. Andererseits schlägt die Erstickungsangst gerade in einsamen Momenten nachts zu. Bei der Wahl kann der Patient sich vom Hausarzt helfen lassen.

Während dieses Stadiums sind Übungen weniger wichtig. Der Physiotherapeut wird vor allem zuhören und mitfühlen. Passive Bewegungen können eine entspannende Wirkung haben und die Zirkulation stimulieren.

Kontrolltechniken für das Atmen mit der Brust können brauchbar sein. Wie mit den anderen Übungen kann man selbst wählen ob man sie macht. Wenn man Probleme hat die Kehle reinzuhalten oder man hat das Gefühl, dass Schleime festsitzen, dann kann man in Panik geraten. Es kann dann sehr nützlich sein eine langsame, entspannende Atmungstechnik anzuwenden, die man während eines Moments worauf man ruhig war gelernt hat und wovon die Menschen Ihrer Umgebung auch wissen, dass Sie es benutzen können.

Bei einer Panikattacke versucht der Physiotherapeut mit Ihnen zu reden: „Okay, wenn Sie mir erzählen, dass Sie nicht atmen können, aber Sie können reden, ist es ein Beweis, dass Sie noch atmen können, denn man kann nicht sprechen ohne Luft. Wir werden die Atmung ein bisschen verzögern, atmen Sie ein bei eins und zwei und danach atmen Sie aus.“ Zählen Sie ruhig weiter, legen Sie Ihre Hände auf Ihre Schultern, entspannen Sie Ihre Schultern und denken Sie daran, die Luft tief in die Lunge zu holen. Dies ist wirklich nützlich. Auch für die Pfleger ist es wichtig diese Techniken zu kennen um einzugreifen und die Panikattacke zu beenden.

Nicht effizient husten können ist oft ein Problem. Husten ist etwas rein Mechanisches. Man atmet tief ein und dann atmet man explosiv aus, wobei man alle Muskeln benutzt. Dieser explosive Druck ist schwierig wenn man an ALS leidet, weil die Muskeln des Zwerchfells nicht mehr so hart wie nötig drücken können. Dies kann unbequem sein, wenn Sie Ihre Kehle rein machen wollen weil es Schleime gibt. Sie können dabei Hilfe bekommen. Auch dies soll gelehrt werden. Ein Pfleger kann seine Hand in das V unter den Rippen legen, einen Stoß geben und so die Kehle reinigen durch einen guten Husten.

Sich verschlucken und Entzündungen kommen auch oft vor. Man verschluckt sich wenn etwas in die falsche Richtung geht und in die Luftröhre gerät. Dies kann Infektionen verursachen.

Wenn es keine Beatmung gibt, was in diesem Fall so ist, verwendet der Physiotherapeut Standardtechniken aus der Physiotherapie: auf der Seite liegen, tief atmen, Vibration, unterstützt husten und manchmal klopfen.

Nichts ist magisch an was man tun soll in Physiotherapie, wir sollen nur daran denken es zu tun.

Der Abschluss

Wenn der Kampf aus ist, sollten die „Hinterbliebenen“ einander unterstützen. Dies bleibt oft aus durch die große Arbeitsbelastung und andere Ausreden. Daran sollte allerdings Aufmerksamkeit gewidmet werden bei den ALS-Teams. Für die Behandler ist es gut zu wissen, dass ihre Anstrengungen durch die Hinterbliebenen bemerkt und geschätzt werden. Für die Hinterbliebenen wirkt Aufmerksamkeit nach so einer hektischen Periode beruhigend.

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