Gespräch mit Mia Thijs, Frau von pALS Claude Fifi

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Claude Fifi von Mol war ein begeisterter, sportlicher Mann, der als Handelsvertreter für eine Firma in Arbeitskleidung arbeitete. Er spielte Petanque, fuhr gerne mit dem Auto und lebte für seine Frau, Kinder und Enkelkinder. Im September 2010 stellte Claude fest, dass er bestimmte Laute nur noch schwer aussprechen konnte. Da er zu dieser Zeit auch Antidepressiva nahm, wurde die Ursache zuerst bei diesem Medikament gelegt. Als dies schlimmer wurde gingen Claude und Mia schließlich nach Leuven, wo sie bei Professor Robberecht landeten. Nach mehreren Untersuchungen erzählte der Arzt ihm, dass er an ALS leide - einer Krankheit, von der weder Claude noch Mia jemals etwas gehört hatten. Es wurde jedoch nicht erwähnt, dass die Krankheit terminal ist. Als Prognose wurden zwei Jahre suggeriert.

Claude versuchte, die erhaltene Prognose zu verdrängen und sein Leben so gut wie möglich fortzusetzen. Aber seine Möglichkeiten nahmen sichtlich ab. Nach einem halben Jahr konnte er nicht mehr essen, sprechen oder trinken und wurde eine Magensonde angebracht. Um zu kommunizieren, hatte Mia ein ABC-Brett gebastelt, auf dem er die Buchstaben anzeigen konnte. Um zu rauchen, steckte er sich einen Nasenklemme für Schwimmer auf die Nase, damit er noch weiter einen Zug von seiner geliebten Zigarette nehmen konnte. Als er an irgendeinem Tag mit schönem Wetter Lust auf ein Bier hatte, kam Mia auf die Idee Bier einzufrieren, damit er einen Würfel in den Mund stecken konnte. Sie tat das auch mit Schokoladenmilch und Martini. Es tat gut, wieder einen vertrauten Geschmack im Mund zu haben.

In Leuven wurden sie an die ALS Liga verwiesen, wo sie eine gutes Gespräch mit Mia und Danny hatten und wo sie einen Sprachcomputer bekamen. Claude folgte alle Entwicklungen auf der ALS-Website. So ging das Leben langsam weiter mit den täglichen Schwierigkeiten und den Möglichkeiten, die immer weniger wurden. Manchmal entstand das Problem der Lebensqualität und die Frage stellte sich, ob dieses Leben sich lohnte. Aber die Besuche der Kinder und der Enkelkinder, darauf freute Claude sich doch. Die Hochzeit seines Sohnes war so ein Moment, den er erleben wollte und das schaffte er auch. Oder der Geburtstag des Enkels, der auf einem Spielplatz gefeiert wurde. Claude wurde im Rollstuhl dorthin gebracht und er genoss die warmen Sonnenstrahlen und das kühlende Wasser auf sein Gesicht. Aber als diese Feste vorbei waren, deutete er manchmal an, dass es langsam genug ist. Am Tag nach der Geburtstagsfeier hatte er solche Atemprobleme, dass er in die Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses gebracht werden musste. Mia hatte das Gefühl, dass sie dort kaum wussten was ALS beinhaltet und als ein Notarzt Mia vorwurfsvoll erzählte, dass Claude “doch ein kräftiger Mann" sei, brach etwas in ihr. Schließlich wurde er nach Leuven gebracht und bekam er eine Sauerstoffmaske und Morphium.

Mia, die monatelang unter schwerem Stress gelitten hatte, war sich zu der Zeit nicht bewusst, dass das Ende nahe war. Am letzten Tag sah Claude das Fußballspiel Belgien-Türkei von seinem Krankenhausbett aus an, aber auf seinem Brett mit Buchstaben zeigte er auf die Buchstaben M und E. Er meinte: "Morgen, morgen wird es ein Ende haben". Und das war auch so. Er entschlief am 4. Juni 2011.

Mia blickt mit vielen Emotionen auf die vergangenen schwierigen, aber manchmal auch schönen, Monate zurück. Claude ist durch ein tiefes Tal gegangen. Er hat oft geweint und geheult. Er wollte keinen Besuch, nicht einmal von guten Freunden, und als die Familie kam, zog er sich ins Schlafzimmer zurück. Mia fragte sich manchmal, warum das medizinische Personal sie im Dunkeln gelassen hat. "Hätte ich gewusst, dass das Ende so nahe war, hätte ich bestimmte Dinge noch tun oder sagen können!" ist ein Gedanke der sie oft beschäftigt. Aber gleichzeitig denkt sie mit einem warmen Gefühl an den Tag, als es an der Tür klingelte - Mia hatte an diesem Tag Geburtstag - und ein großer Strauß Rosen wurde geliefert, während Claude sie mit einem Lächeln ansah. Es war ihm doch gelungen, die für sie zu bestellen! Ein Geschenk als Zeichen seiner Liebe zu ihr, aber vielleicht auch als Dank für geteiltes Leid und um zusammen diese letzten schwierigen Monate überstanden zu haben.

 

Übersetzung: Wolfgang Dekeyser

Quelle : Newsletter 153 – Juli, August, September 2011

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